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Monthly Archives: Dezember 2013

Kennt Ihr Sookee?

Sookee („Quing of Berlin“) ist Rapperin und ziemlich bekannt in der Szene. Rap: Text und Rhythmus, Körper und Wut. Und Spaß. Gewalt- und Machterfahrungen, Identitäts- und Geschlechterrollenfragen umzusetzen in Worte und Rhythmus: Das ist genau das Richtige für die Patient_innen der Kinder- und Jugendpsychiatrie, dachte ich, als ich in einem ZEIT-Interview mit Sookee las, dass sie Workshops für Jugendliche macht.

Eigentlich können wir uns ihr Honorar nicht leisten. Ich habe ihr trotzdem geschrieben und ihr ausführlich unser Projekt vorgestellt. Und: Sie machts!

Im Sommer 2013 habe ich ehrenamtlich Steinbildhauerei angeboten, weil nicht genug auf dem Konto war, um eine_n externe_n Künstler_in angemessen bezahlen zu können. Inzwischen stehen wir wieder besser da. Der Wunsch meiner Mutter zu ihrem 90. Geburtstag: `Spenden für KUNST IN DER KLINIK´ hat sehr geholfen.

Wir danken euch ganz herzlich für eure Unterstützung. Eure Spenden machen es möglich, dass es weitergehen kann mit den Workshops von KUNST IN DER KLINIK.

Bild
Fünf Tage, sechs junge Patienten und Patientinnen aus 5 psychiatrischen Stationen, zehn Formen sind entstanden. Die Aufgabe: Finde deine Form.

Diese Rohlinge (Sandstein und ein Kalkstein) waren bis auf zwei alle quaderförmig. Sie waren behauen, um in ein Mauerwerk eingebaut zu werden, wurden aber aussortiert, weil sie alle irgendeine Macke haben: Risse, Löcher, Schwachstellen, Bruchstellen, Brüche. Diese Besonderheiten wurden bei einigen der Arbeiten zum Ausgangspunkt für die Gestaltung.

Bei einem Stein gab es z.B. eine dunklere Stelle, ein Loch, das zuerst nicht zum ursprünglichen Plan passte. Aber dann erkannte der Teilnehmer: das ist ja ein Auge! Ein Kopf. Ein zweites Auge kam dazu – leider ein Totenkopf. Und dann die Überraschung: Sobald der Mund ausgearbeitet war, wurde der Kopf lebendig! Und fing an zu sprechen. Der Kopf bekam später noch einen Körper, die ganze Figur einen Hintergrund, der zeigt, wo das Wesen herkommt.

Dann: Eine natürliche dunkle Einkerbung wurde erweitert zum „Flusstal“, das Wasser bekam mit einem Durchbruch noch einen Überlauf. Und dann stellte der Teilnehmer diese Flusslandschaft auf ein Gewölbe, das an Stonehenge erinnert, dieses geheimnisvolle Menschenwunder aus uralten Zeiten. Der rechteckige, massive Quader wurde auf einmal leicht und denkt sich im Kopf weiter. 

Ein anderer Stein war eine Herausforderung. Er hatte mehr Löcher, Risse, Quarzadern und Schwachstellen als alle anderen. Er ist beim Arbeiten zerbrochen – er war vorher fast doppelt so hoch. Aber der Teilnehmer hat nicht aufgegeben. Er hat die rechteckige stabile Basis stehen gelassen und angefangen, darüber etwas Rundes zu arbeiten, das in dem Eckigen versinkt.

Ein Herz: eine farbige Linie im Stein war vorher nicht zu sehen, sie kam erst beim Arbeiten heraus. Und schmiegt sich jetzt so harmonisch an die Form, als hätte man sie gemalt. Ein Herz, das aufrecht steht und sich zeigt. Eine starke Form.

Es gab eine weitere Überraschung, aber nicht vom Stein. Als wir uns gestern gemeinsam angesehen haben, was jeder so gemacht hat, fiel einem der Teilnehmer auf, dass diese Form, die eine Kugel werden will, Strahlen hat. Beim Arbeiten, durch das Arbeiten entstanden, ohne Absicht und unbemerkt. Der Plan war nur gewesen, aus dem Eckigen etwas Rundes zu machen.

Dann hatten wir einen VW-Bus. Ich habe den Teilnehmern mehrmals gesagt, sie sollten sich besser nicht zu filigrane Formen vornehmen, weil der Sandstein grob und bröckelig ist und es Enttäuschungen geben kann. Und dann schlägt dieser Teilnehmer einen fast realistischen Unterboden aus dem Stein! So vorsichtig und akkurat, dass schmale Stoßstangen und feine Formen möglich werden.

Bei einigen Teilnehmern ging es nach dem ersten Stein noch weiter. Einer griff vom ersten Stein das Thema Positiv- Negativ – Form auf und führte es weiter – und fand bei einer dritten Form noch einmal einen neuen Dreh für das Thema. 

Jeder Teilnehmer hat seine Form gefunden, erkennbar. Einige sind noch im Werden. Und jeder hat seine ganz eigene Form gefunden. Sehr individuell, sehr eigenwillig, ganz interessante Ideen und sehr ausdrucksstark. Sie waren sehr stolz auf ihre Arbeit. 

Es gab in dieser Woche noch etwas Besonderes. Bildhauerei ist Einzelarbeit, man arbeitet für sich, jeder an seinem Tisch, jeder an seinem Stein. Diese 4 Jungen und 2 Mädchen, die sich bis auf 2 vorher nicht kannten, sind in diesen Tagen zur Gruppe geworden. 

Es war sehr berührend, wie diese jungen Menschen miteinander umgingen. Wie sie sich morgens begrüßten, nach der Nacht fragten und wie es dem anderen ging. Wie sie sich interessierten für die Arbeit des Anderen. Wie sie sich auch gegenseitig Mut machten und von ihrem eigenen schweren Weg, auch von guten Erfahrungen berichteten. 

Das hat auch mit der Arbeit und der Haltung der Menschen zu tun, die in dieser Klinik arbeiten.

Die Klinikleitung, Herr Dr. Burchard, Herr Dr. Heinemann haben das Projekt unterstützt. Frau Nüse hat zuverlässig und kongenial organisiert.